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  • Autorenbildmarcolehmann

Jobtausch – 16 Tage Vollzeit-Papa

Wenn du das liest liege ich wahrscheinlich gerade mit meinem Sohn auf dem Wohnzimmerboden und lass zum 3000. Mal sein Lieblingsauto von seiner Oma die Spielzeug-Garagenabfahrt hinunter, lege gerade den erneut entgleisten Zug wieder auf die Brio-Eisenbahnschienen oder spaziere mit ihm im Schneckentempo an der Zürcher Seepromenade entlang. Was geht ab, denkst du dir vielleicht. Gerne erzähl ich es dir.


Vater bis aufs Zahnfleisch

Mitte Oktober habe ich mich entschieden für einmal die ganze Jahresendhektik nicht mit zu machen, sondern die Monate November und Dezember geschäftlich etwas ruhiger anzugehen. Einfach mal Vater und Partner sein und etwas mehr Zeit mit der Familie geniessen. Doch was das alles beinhaltet, damit habe ich nicht wirklich gerechnet.


Ich bin ein Lebemann, liebe die Freiheiten, welche das Leben mit sich bringt, doch mit einem kleinen Jungen an der Hand, merkst du dann ziemlich schnell, wer das Sagen hat. Und ja, es gibt tausend kluge Ratgeber zu „wie bin ich ein guter Vater“ oder „lass das Kind auch mal schreien“, aber wer es nicht selbst erlebt hat, der kann hier einfach nicht mitreden.


Als Erstes sprich ich ein dickes, fettes Kompliment an alle Vollzeit-Mütter und -Väter da draussen aus. Was ihr jeden Tag leistet, kann ich hier nicht in Worte fassen. Ich habe ein Unternehmen mit 7 Millionen Jahresumsatz und ein duzend Mitarbeitern geführt, aber 16 Tage Vater sein (wobei davon erst 7 Tage um sind), dass hat mir meine eigenen Grenzen nochmals ganz anders aufgezeigt.


Also liebe Männer (ich bleibe mal bei der Männerschaft, da dies immer noch klar der Mehrheit entspricht), falls ihr gerade findet, dass euer Job euch so richtig ans Limit bringt, weil ihr im Jahresendstress seid oder die Assistentin oder der Assistent euch vielleicht vergessen hat einen Zucker in den Kaffee zu schmeissen, dann nehmt euch mal eine Woche Zeit, um die Vaterrolle voll und ganz zu übernehmen. Erst dann wisst ihr, was es heisst zu leisten, Toleranz und Geduld zu zeigen und vor allem im Wohle anderer, in diesem Fall zum Wohle deines Kindes, alles andere weit hinten anzustellen. Und ich rede hier nicht vom Weekendskiplausch in den Bergen oder der Sommerferienwoche am Meer im all inclusive Kinderhotel. Nein. Ich meine den schlichten Alltag einer Mutter zu übernehmen und einfach mal Hausmann sein. Bereit? Sicher? Hier einen Einblick in den alltäglichen Vater-Sohn Alltag.


Der alltägliche „Wahnsinn“

Unser Sohn Noah, er ist übrigens knapp zwei, steht immer so zwischen 7 und 8 Uhr auf. Wobei ich dabei erwähnen möchte, dass er kein Paradeschläfer ist. So das letzte Jahr stehen wir sicherlich im Schnitt gut 3-4x die Nacht auf, um seinem Bedürfnis nach Liebe, Hunger, Durst oder was auch immer, nach zu kommen. Hier denke ich oft: geteiltes Leid ist halbes Leid, nur dumm, dass ich ja zurzeit allein mit meinem Sohn zu Hause bin, während sich meine geliebte Freundin ihre wohl verdiente Auszeit an der Sonne nimmt.


Gut, wenn wir schon mal wach sind, dann legen wir doch gleich los. Die Spielzeugautos liegen bereit, um sie massenweise im Wohnzimmer herum zu schieben. Natürlich geht das nicht von alleine, da muss Papa sich schon dazusetzen. Kaum sitzt du da, spielt der Sprössling dann allein weiter. So geh ich in die Küche, um Frühstück vorzubereiten, aber das passt ihm natürlich nicht, denn dann ist ja wieder niemand da, der mit ihm spielt. Nun hast du die Wahl zwischen: Geschrei bis das Frühstück aufgetischt ist oder du spielst weiter und hast das Geschrei dann in 15 Minuten, wenn der Hunger sich beim Kleinen breit macht. Irgendwie entscheide ich mich dann oft für das Frühstück und bespasse ihn parallel mit irgendwelchen Grimassen.


Kaum am Frühstückstisch möchte er gerne die Brote selbst mit Honig beschmieren, doch mit knapp 2 Jahren gelingt einem das nicht so gut. Da nimmt man doch gerne mal den Löffel aus dem Ei und steckt ihn samt Eigelb in den Honig, in der Hoffnung, dass dies besser funktioniert. Ruhig bleiben denk ich mir, er weiss es ja nicht besser. Genauso, wie er nicht weiss, dass man mit der Hand nicht ins Wasserglas greift oder Papis Müsli an die Wand streicht. Auch hier gilt: Toleranz und Ruhe bewahren und ihm doch immer auch etwas Lehrreiches mit auf den Weg geben.


Nach zwei Bissen Brot möchte er dann doch lieber wieder spielen, was ich ihm auch gönnen mag. Isst er jetzt aber nicht, habe ich ihn bestimmt, wenn wir beim Einkaufen sind an der Backe, aber was solls. Für einmal darf er vom Tisch. Wenigstens in Ruhe mein Brötchen streichen und das Ei zu Ende essen. Zumindest bis zum nächsten „Papa, Papa…“, wenn ich wieder die Autos in Reih und Glied stellen soll.


Rund zwei Stunden später beim Einkaufen (in der Zwischenzeit haben wir nochmals 20 Autos in eine Kolonne gestellt, die Windel und den vollgekleckerten Pullover gewechselt, Zähne geputzt oder zumindest versucht) darf er den kleinen Einkaufswagen für Kinder nehmen. Ist doch süss, wenn die Kleinen selbst einen Wagen stossen dürfen, denke ich mir, bis wir an den Früchten vorbeikommen und er so gar nicht meiner Meinung ist, weil er 7 Bananen anstatt 1 und vier verschiedene Äpfel einzeln in den Wagen packt.


Spätestens bei aufgeplatzten Joghurt am Boden, hat nun jeder im Laden mitbekommen, dass wir hier sind und mein Sohn doch „Noah“ und nicht „Nein“ heisst. Und spätestens jetzt werden mein Verständnis und meine Toleranz so richtig auf die Probe gestellt.


Ab zur Kasse und raus aus diesem Irrenhaus, denken sich nicht nur die Leute um mich herum. Auch ich bin der Meinung, dass ich den Einkauf lieber verkürzen und auf ein andermal vertagen möchte.

An der Kasse werde ich dann, zum ersten Mal seit wir unseren kleinen Wonnepropen haben, mit einem kleinen Tobsuchtsanfall konfrontiert. Ja, genau so einem, wie wir es aus dem Fernsehen kennen. Zwar nicht, weil er, wie in der Werbung nicht seinen Schokoriegel bekommt, sondern weil ich die Waren aus seinem Wägelchen ausräumen möchte.


Uff… ok. Da muss ich nun durch. Ohren zu, ausräumen und so tun, als würde ich ihn nicht hören und die durchdringenden Blicke um mich herum nicht sehen. Geduldig erkläre ich meinem Sohn warum ich das alles mache und allmählich beruhigt er sich auch, weniger wegen meiner Worte, sondern mehr, weil ich dazu animierte für mich am Kreditkartenterminal zu bezahlen. Endlich, Ruhe kehrt ein.


Auf dem Nachhauseweg geht mein Blick zur Uhr. Halbzwölf. Zeit etwas zu Mittag zu kochen und danach einen Mittagsschlaf zu absolvieren. Wie wenn nichts gewesen wäre, hilft mir mein Kleiner beim Salatrüsten, Tomaten schneiden und auch beim Kochen rührt er fleissig mit. Artig sitzt er zu Tisch und isst friedlich sein Mittagessen, als wäre vorher nichts gewesen. „Papa“, sagt er und zeigt auf das Mittagessen, das ich zubereitet habe und schenkt mir ein verschmitzte